Von Kopf, Herz und Schwanz

Juergen Koch

 

„Man muss aufhören können, ein halber Liter zu viel kann
ein Fias­ko sein.“

 

 

So gegen halb acht tröpfelt dann der erste Schnaps aus der Vorlage des Kühlers. Doch aufgepasst. Noch trü­bt übel riechender Acetaldehyd diesen Vorlauf oder Kopf des Bran­des, wie die Brenner sagen. „Ein halber Liter muss auf jeden Fall weg“, sagt Käppler. Der Rest ist Er­fahrung, gepaart mit dem richtigen Riecher. Im Weinprobierglas schwenkt und beschnuppert Käpp­ler den Brand so lange, bis er weiß: „Jetzt passts“.

Auf diesen Kopf folgt das „Herz“ des Brandes. Und während dieser Mit­tellauf etwa 90 Minuten lang mit sanftem Strahl in die blanken Edel­stahleimer läuft, kontrolliert der Brenner immer wieder Druck, Tem­peratur und den zwischen 70 und 80 Volumenprozent pendelnden Alkoholgehalt. „Weil die Maische immer ausge­kochter ist und immer weniger Alko­hol enthält, muss ich immer wieder nachfeuern, um die Temperatur zu erhöhen“, sagt Klaus Käppler. Doch auch hier ist Konzentration und Vor­sicht geboten. Denn auf Kopf und Herz folgt der unliebsame Nachlauf oder „Schwanz“. „Der enthält Fuselalkohole, die muffig schmecken, ins Hirn gehen und für Kopfweh sorgen“, weiß Käppler. Deshalb: Weg damit. Um den richtigen Zeitpunkt zu erwi­schen, misst er mit einer Spin­del immer wieder den Alkoholgehalt.

Um Kopf und Schwanz sauber vom so genann­ten Herz zu trennen, ist also viel Erfahrung, Fachwissen und Finger­spitzengefühl gefragt. Nur dann ent­stehen saubere Brän­de. Nimmt der Brenner zu viel an Kopf und Schwanz weg, gehen Tei­le von Frucht und Aromen verloren. Nimmt er zu wenig weg, verderben unan­genehm schmeckende Sub­stanzen und Fuselalkohole die fei­nen Wäs­serchen. „Nase und Gau­men sind hier mein wichtigstes Werkzeug“, sagt Käppler. Und: „Man muss aufhören können, ein halber Liter zu viel kann ein Fiasko sein.“

Vom Herz eines Brandes braucht Käppler zwei Komponenten. „Was zuerst kommt, bringt die subtilen, feinduftigen Aromen, was am Ende kommt, bringt Körper und Nachhal­tigkeit, Schnaps braucht beides und darf nicht nur toll riechen“, sagt er.

Nach rund drei Stunden ist er mit dem ersten Brand durch. Ergebnis: hochprozentiger Alkohol, Aroma pur, Geist gewordene Frucht. Jetzt muss er die ausge­kochte Maische („Schlempe“) aus dem Kessel kratzen, die Brennblase säu­bern und für den nächsten Brand im Feuerraum für Nach­schub sorgen.

Wenn er sein Zeitfenster zum Bren­nen ausschöpft und abends gegen acht sein hochprozentiges Tagwerk vollbracht hat, hat er aus sechs Fäs­sern mit zusammen 720 Liter Apfel-Maische rund 43 Liter Alkohol ge­brannt. Zieht man achteinhalb Liter Fusel von Kopf und Schwanz ab, bleiben als „Herz“ oder Mittellauf gut 34 Li­ter aromatischer Apfelbrand mit rund 75 Prozent Alkohol. Gut für etwa 75 0,7-Liter-Flaschen in „Trink­stärke“.