„Man muss aufhören können, ein halber Liter zu viel kann
ein Fiasko sein.“
So gegen halb acht tröpfelt dann der erste Schnaps aus der Vorlage des Kühlers. Doch aufgepasst. Noch trübt übel riechender Acetaldehyd diesen Vorlauf oder Kopf des Brandes, wie die Brenner sagen. „Ein halber Liter muss auf jeden Fall weg“, sagt Käppler. Der Rest ist Erfahrung, gepaart mit dem richtigen Riecher. Im Weinprobierglas schwenkt und beschnuppert Käppler den Brand so lange, bis er weiß: „Jetzt passts“.
Auf diesen Kopf folgt das „Herz“ des Brandes. Und während dieser Mittellauf etwa 90 Minuten lang mit sanftem Strahl in die blanken Edelstahleimer läuft, kontrolliert der Brenner immer wieder Druck, Temperatur und den zwischen 70 und 80 Volumenprozent pendelnden Alkoholgehalt. „Weil die Maische immer ausgekochter ist und immer weniger Alkohol enthält, muss ich immer wieder nachfeuern, um die Temperatur zu erhöhen“, sagt Klaus Käppler. Doch auch hier ist Konzentration und Vorsicht geboten. Denn auf Kopf und Herz folgt der unliebsame Nachlauf oder „Schwanz“. „Der enthält Fuselalkohole, die muffig schmecken, ins Hirn gehen und für Kopfweh sorgen“, weiß Käppler. Deshalb: Weg damit. Um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, misst er mit einer Spindel immer wieder den Alkoholgehalt.
Um Kopf und Schwanz sauber vom so genannten Herz zu trennen, ist also viel Erfahrung, Fachwissen und Fingerspitzengefühl gefragt. Nur dann entstehen saubere Brände. Nimmt der Brenner zu viel an Kopf und Schwanz weg, gehen Teile von Frucht und Aromen verloren. Nimmt er zu wenig weg, verderben unangenehm schmeckende Substanzen und Fuselalkohole die feinen Wässerchen. „Nase und Gaumen sind hier mein wichtigstes Werkzeug“, sagt Käppler. Und: „Man muss aufhören können, ein halber Liter zu viel kann ein Fiasko sein.“
Vom Herz eines Brandes braucht Käppler zwei Komponenten. „Was zuerst kommt, bringt die subtilen, feinduftigen Aromen, was am Ende kommt, bringt Körper und Nachhaltigkeit, Schnaps braucht beides und darf nicht nur toll riechen“, sagt er.
Nach rund drei Stunden ist er mit dem ersten Brand durch. Ergebnis: hochprozentiger Alkohol, Aroma pur, Geist gewordene Frucht. Jetzt muss er die ausgekochte Maische („Schlempe“) aus dem Kessel kratzen, die Brennblase säubern und für den nächsten Brand im Feuerraum für Nachschub sorgen.
Wenn er sein Zeitfenster zum Brennen ausschöpft und abends gegen acht sein hochprozentiges Tagwerk vollbracht hat, hat er aus sechs Fässern mit zusammen 720 Liter Apfel-Maische rund 43 Liter Alkohol gebrannt. Zieht man achteinhalb Liter Fusel von Kopf und Schwanz ab, bleiben als „Herz“ oder Mittellauf gut 34 Liter aromatischer Apfelbrand mit rund 75 Prozent Alkohol. Gut für etwa 75 0,7-Liter-Flaschen in „Trinkstärke“.