Gut Ding will Weile haben oder: Lieber Zeit als Zeit­geist

Juergen Koch

 

„Meine Schnäpse sind immer mindestens ein Jahr gelagert, die fassgelagerten mindestens drei, alles andere ist albern.“

 

 

Wir steuern im Gespräch den Faktor Zeit an. Schnell zeigt sich, dass auch das seine Zeit braucht. Die Sache mit dem Faktor Zeit fängt schon beim Nach­pflanzen der Hochstämme an, die einige Jahre brauchen, bis die ers­ten Früchte reifen. Das geht weiter beim aufwändigen Baumschnitt im Winter und bei der herbstlichen Ern­te in Handarbeit. Essenziell ist Zeit auch bei der Gärung der Maische, des zerkleinerten, breiigen Obstes, die „nicht zu stürmisch“ verlaufen sollte Hier achtet Käppler auf einen langsamen, Aromen schonenden Gärungsverlauf. Bei der Gärung wandelt sich der Fruchtzucker des Obstes mittels eigener oder zugege­bener Hefen in Alkohol und Kohlen­dioxid um. Ideal ist ein Gärtempera­tur zwischen 12 und 20 Grad Celsi­us, darunter kann die Gärung ab­brechen, darüber würden Ge­schmack und Aromen leiden.

Bei mir darf die Gärung ruhig ein paar Monate dauern, von der The­se, jede Maische müsse sofort nach Abschluss der Gärung gebrannt werden, halte ich nichts.“

Auch beim Brennen selber ist Tem­po tabu. So wenig Hitze und Druck wie möglich, so viel wie nötig, weil auch das den Aromen zugute kommt. Viel Zeit nimmt sich der Brenner auch beim Abtrennen von Vorlauf und Nachlauf.

Für enorm wichtig hält Käppler den Faktor Zeit auch bei der Lagerung seiner Brände. „Meine Schnäpse sind immer min­destens ein Jahr gelagert, die fass­gelagerten mindestens drei Jahre, alles andere ist albern.“ So ist der jüngste, den er aktuell verkauft (Sommer 2021), ein 2019er Eber­eschenbrand, der Älteste ein 2005er Apfelbrand aus dem Eichenfass. Ei­nes ist für Käppler ganz klar: „Ein frisch gebrannter Schnaps gehört nicht auf die Flasche.“ Der Grund: Er ist noch zu rauh, leicht scharf und aromatisch noch nicht dort, wo er sein sollte, auf dem Höhepunkt. Bevor er seine Schnäpse auf Trink­stärke bringt und auf Flasche zieht, gönnt er ihnen also eine mindestens zwölfmonatige Lagerung und Reifung in ge­schmacksneutralen 25-Liter-Glas­ballons, in Steingut-Behältern („ein Traum”) und Edelstahltanks. Ausge­suchte Brände auch im Holz. Die reifen dann in Barriques aus französischer Eiche, Eschenfässern aus der Pfalz oder auch 105-Li­ter-Eichenfässle vom Bieringer Küfer­meister Karl Horch ihrer aromati­schen Vollendung entgegen. Man­che schon deutlich mehr als zehn Jahre. Kostenintensiv, aber loh­nend. Kein Wunder, dass Käpplers Jahrgangsbrände aus dem Eichen- oder Eschenfass nicht nur zu seinen Favoriten gehören. Wie das Holz­fass den Brand bei der Reifung ver­ändert, erklärt der Brenner so: „Holzfasslagerung ist eine oxidative Lagerung, weil das Holz atmet und Sauerstoff reinlässt, die Brände rei­fen also anders und schneller als bei einer Lagerung unter Luftab­schluss in Glas oder Edelstahl.“ Sprich: Aus den Fassdauben diffun­dieren Sekundäraromen wie Vanille, Karamell, Röstaromen und Gerb­stoffe ins Destillat. „Das gibt im Ide­alfall nach jahrelanger Lagerung ei­nen interessanteren, komplexeren Brand“, so der Brenner. „Interessant wird’s so etwa ab fünf Jahren, wenn du vom Holz nichts mehr schmeckst, sondern Aromen wie Honig, Vanille, Karamell oder Kaf­fee.“

Dass nicht jedes Holz für jeden Brand taugt, weiß er aus langer Er­fahrung. „Eichenholzfässer sind klassisch und unproblematisch, aber nicht ideal für fruchtige Brände, weil sie deren Aromatik stören. Ge­eigneter sind da Eschenholz- und Maronenholzfässer, beispielsweise für Quitten- oder Tresterbrände, die ge­ben aber weniger Farbe und kein Tannin ins Destillat ab.“ Kann man den Reifungsprozess eines Brandes eigentlich mit dem von Wein vergleichen? „Schnaps reift schon wie Wein, doch wegen seines hohen Alkoholgehalts viel langsamer und anders“, erklärt Käppler. So würden die Aromen „nicht abnehmen, sondern in andere umgebaut werden“. Um das zu erklären, muss er auf etwas Fachchinesisch zurückgreifen. „Durch Oxidation, Veresterung und Acetalisierung nehmen die fruchtigen Primäraromen ab zugunsten von Sekundäraromen wie Schokolade, Tabak, Leder oder Vanille.“ Während Steinobstbrände „eher immer schöner“ würden, könne es unterm Strich passieren, dass Schnaps aus Kern- und Beerenobst an Frucht verliere und etwas „müde“ werde.